Als ich den Artikel „Die Klassenfrage“ in der Süddeutschen gelesen habe, war mir schon klar, dass die Diskussion um das Thema „Sitzenbleiben“ jetzt wieder überall geführt wird.
Als Lehrer kann ich leider nur bestätigen, dass in vielen Fällen das Wiederholungsjahr zu wenig zum Schließen der Lücken genutzt wird und damit kaum Effekt zeigt. Manchmal hilft es aber auch bei der Arbeitshaltung, dass jemand aus seiner „Null-Bock-Clique“ herauskommt und er beim Wiederholen Freude an der eigenen Leistung entwickelt. Dann hat es sich gelohnt.
Leider wissen wir vorher nicht, wie es sich entwickelt, denn die schulische Leistung hängt nicht nur von der persönlichen Eignung für diesen Schultyp oder den gewählten Ausbildungszweig ab, sondern auch von den Lehrkräften, die in diesem Jahr unterrichten, aber auch ganz besonders von der eigenen Einstellung des Schülers und seinem sozialen Umfeld. Auch ein guter Lehrer tut sich schwer mit irgendeiner Methode, nachhaltigen Kenntniszuwachs beim Schüler zu erreichen, wenn diese kein Interesse für gar nichts aufbringt sobald es mit einer leichten Anstrengung verbunden ist.
Eine tolle Sache finde ich das „Vorrücken auf Probe“, weil es bei vielen den Ehrgeiz weckt im neuen Schuljahr zu zeigen, dass man in diese Klasse gehört und nicht zurück muss. Leider hilft es auch nur dann, wenn man als Lehrer rechtzeitig für diese Situation sorgt, wo ein Schüler jetzt arbeiten muss, wenn andere Maßnahmen nicht gegriffen haben. Nach fünf Jahren „durchschieben“ in der Fremdsprache oder in Mathe sind die Lücken vermutlich zu groß, um hier auf die Schnelle den Anschluss wieder zu finden.
Aus meiner Sicht wäre das beste, wenn wir für schlechte Schüler zusätzliche Stunden in dem Fach anbieten könnten, in dem sie schlechter als zufrieden stellend sind. Das würde schwächere Schüler wirklich fördern und bequeme Schüler würden dann versuchen wenigstens die Note drei zu erreichen, um diese Zusatzstunden zu vermeiden. Nur braucht man für diese Stunden Räume, qualifiziertes Personal und Geld. Dummerweise fehlt es gerade an diesen drei Resourcen in den Schulen. Die Idee an sich gibt es ja so ähnlich schon mit den Intensivierungsstunden an den bayrischen Gymnasien, aber die Rahmenbedingungen dafür sind nicht so günstig, wie sie sein müssten, um wirklich private Nachhilfe oder Durchfallen abzuschaffen.

Gerade findet man wieder in den Zeitungen Artikel über den Lehrermangel und die verschiedenen Lösungsansätze:

  • Abwerben von Lehrern aus anderen Bundesländern. Das löst aus meiner Sicht kein Mangelproblem. Es verschiebt den Mangel nur. Je nachdem ob man für oder gegen diesen Wettbewerb ist, findet man es richtig oder falsch, dass die Lehrer ausuchen, wo und zu welchen Bedingungen sie arbeiten.
  • Steigern der Unterrichtsverpflichtung. Aus meiner Sicht kontraproduktiv. Kurzfristig brauche ich weniger Personal, aber Verschlechterung der Arbeitsbedingungen steigert nicht gerade die Attraktivität für diesen Beruf.
  • Aushilfe stundenweise durch Fachleute aus der Wirtschaft, 1-Euro-Jobber usw. Aus meiner Sicht sinnlos. Man kann mit externen Experten die Motivation oder das Interesse durch den Praxisbezug zeitweise erhöhen und mit ungelernten Aushilfen vielleicht noch die Aufsicht sicherstellen, aber sonst passiert da doch eher kaum nachhaltige Bildung. So einfach ist es eben doch nicht, Kindern langfristig etwas beizubringen.
  • Öffnen der Lehrertätigkeit für Quereinsteiger. Aus meiner Sicht die beste Alternative, aber schlecht durchgeführt. Wenn ich aus einem guten Fachmann einen guten Lernbegleiter machen will, muss ich ihn am Anfang richtig unterstützen. Begleitende Fortbildung und verringerte Unterrichtsverpflichtung am Anfang. Man kann die Begleitung auch durch gute Kollegen machen lassen, aber die müssen dann auch angemessen Zeit dafür bekommen. In jeder anständigen Firma wird man schließlich auch eingearbeitet, wenn man später weitestgehend selbstständig arbeiten soll. Zudem muss es eine Zukunftsperspektive geben, nach einiger Zeit wie ein normaler Lehrer behandelt und bezahlt zu werden. Leider gilt derzeit Berufserfahrung im Lehrerberuf hier nicht. Wer kein Staatsexamen nachmacht, bleibt immer „Hilfslehrer“. So frustriert man auf Dauer die guten, engagierten Quereinsteiger.

Egal wie: Man braucht mehr geeignete Lehrer. Die Eignung muss man wohl während der Arbeit ermitteln. Das gilt selbst für Lehrer mit zweitm Staatsexamen. Befristete Verträge für die erste Zeit sind in anderen Bereichen üblich, warum nicht auch hier.
Wenn man keine geeigneten Kräfte findet, sollte man überlegen, den Unterricht zu kürzen. Manchmal ist gekürzter Unterricht aus meiner Sicht weniger schlimm als schlechter Unterricht. Dabei wird wenigstens kein Schüler verprellt, Fehlvorstellungen vermittelt oder die Arbeitsmoral versaut.

Gerade geistert wieder einmal eine sinnvolle Studie durch die Medien. Laut dieser Studie von 1997(!) sind die Abiturnoten der Lehramtsstudenten vor allem bei Real-, Haupt- und Grundschule schlechter als bei den Studenten, die in die Wirtschaft gehen.
Nett fand ich den Absatz in diesem Artikel in die Zeit.

Jeder aber, der genauer hinschaut, stellt fest: Lehrer sind nicht nur besser als ihr Ruf; ihr Ruf ist auch viel besser, als es Zeitungen und Fernsehsendungen vorgeben. Zwei Beispiele mögen das belegen: Erstens kann man die Studie über die angeblich schwachen Abiturienten, die Lehrer werden, auch ganz anders lesen, nämlich so: Die Gymnasiallehrer haben mindestens so gute Abiturnoten wie jene, die ein Diplom in der Tasche haben, und sogar bessere als die Magisterabsolventen!

Meiner persönlichen Erfahrung nach gibt es wirklich viele Lehrer, die nicht die besten Schüler waren. Aber meine Erfahrung als Lehrer zeigt mir auch, dass meist nicht die Klassenbesten in den Noten auch die mit der besten Sozialkompetenz sind. Deshalb sind die Schülersprecher auch oft keine wirklich überragenden Schüler, aber sie können andere für gute Dinge begeistern. Ich muss als Lehrer kein Musterabiturient gewesen sein. Es ist besser, wenn ich von meinem Fach genug Ahnung und Überblick für den Unterricht habe, aber Schüler mit meiner Begeisterung anstecken kann als lexikalisches Wissen ohne Begeisterung vorzutragen. Natürlich ist Fachkompetenz wichtig, aber es ist eben nur ein Aspekt des guten Lehrers und es soll ja auch Leute geben, die nach mäßigem Abitur einen tollen Uniabschluss machen.

Heute standen in einer Presseerklärung des BLLV-Vorsitzenden Wenzel die beiden folgenden Aussagen:

„Die Grundschule ist die beste Schule, die wir haben. Ich verstehe nicht, warum wir damit nach nur vier Jahren aufhören und Kinder in ein Korsett zwingen, das den meisten von ihnen nicht passt.“  

„Es ist geradezu paradox, dass Schülerinnen und Schüler die Grundschule nur vier Jahre lang besuchen, um dann auf eine weiterführende Schule zu wechseln, wo sich die Situation schlagartig ändert und Leistungen deutlich unter internationale Vergleichsmaßstäbe fallen“

Vielleicht sind wir ja nur deshalb anders platziert, weil mehrere Länder, die bei PISA vor oder hinter uns lagen nicht bei IGLU mitgemacht haben…Vielleicht ist es aber auch nur so, dass die Unterschiede sich im Laufe der Jahre verstärken. Untersuchungen haben schließlich gezeigt, dass gute Schüler von gutem Unterricht mehr profitieren als schlechte. Auch schlechte Schüler werden dabei besser als bei schlechtem Unterricht, aber die Schere geht trotzdem immer weiter auf. Der Unterschied zwischen den Kindern muss also steigen, wenn man später prüft – außer es wären alle Schüler und alle Schulen weltweit gleich gut oder gleich schlecht. Lernen baut schließlich immer auf vorher Gelerntem auf. Entsprechend vergrößern sich die Unterschiede immer mehr. Das gilt bereits für die großen Unterschiede bei der Einschulung hinsichtlich Vorkenntnissen, Fähigkeiten und Lernmotivation. Vor allem bei der Lernmotivation scheint die Pubertät die Schere noch einmal weit zu öffnen. Diese Phase kriegen die Grundschulen kaum mit.
Leider zeigt meine persönliche Erfahrung auch, dass manche Schüler mit Empfehlung/Übertrittszeugnis an weiterführende Schulen wechseln, die nicht über entsprechende Grundkenntnisse in Mathematik oder Deutsch verfügen, um dort bestehen zu können. Sollen wir sie solchen Grundschulen dann 6 Jahre ausliefern?
Meine persönliche Überzeugung ist immer noch, dass es nicht an eingliedrig oder mehrgliedrig liegt, sondern nur an der Umsetzung von Schule innerhalb des jeweiligen Systems und an der Unterstützung der Bildung durch Eltern und Gesellschaft.  Wie erklärt man sonst, dass Bayern und Finnland ähnliche Test-Ergebnisse liefern, obwohl das Schulsystem kaum verschiedener sein könnte. Vielleicht arbeiten wir erst mal an besseren Lernbedingungen in den vorhandenen Schulen, ehe wir nach jeder Studie wieder die Strukturdebatte führen.

„Schule ist die große Gleichmacherin“ ist der Titel für ein Interview mit dem Erziehungswissenschaftler Jürgen Baumert in Die Zeit.

Die Leistungskurven der Kinder aus unterschiedlichen Sozialschichten verliefen während der Schulzeit parallel. Erst in den Ferien, wenn die Kinder nur dem Einfluss der Familie und Nachbarschaft ausgesetzt waren, gingen sie auseinander. Eine Untersuchung, die wir kürzlich in Berlin durchgeführt haben, belegt diesen Sommerlocheffekt auch für die kurzen deutschen Ferien: Kinder aus sozial benachteiligten Schichten und Zuwanderer lernen in dieser Zeit weniger dazu als Schulkameraden aus begüterten Schichten.

Keine Frage, es gibt eine vom Schulsystem produzierte Ungerechtigkeit, und in Deutschland ist sie besonders hoch. Aber auch in anderen Ländern wird man seine Familie nicht los. Selbst im egalitären Schweden trennen sich nach der neunjährigen Grundschule die Bildungswege der Sozialschichten. Die eigentliche Frage ist, ob die sozialen Unterschiede kleiner werden, wenn die Trennung später erfolgt.
Viele Befunde sprechen dafür. Je früher differenziert wird, desto unklarer sind die Prognosen, desto größer ist der Einfluss der Eltern bei der Übergangsentscheidung und desto länger wirken die unterschiedlichen Milieus, die sich in den Schulformen herausbilden.

Für mich klingt das ja fast wie ein Plädoyer für die Abschaffung der Ferien für Kinder aus bildungsfremdem Eltenhaus. 😉

Aus meiner Sicht wird die Reformdebatte immer zu sehr darauf verengt, dass in Deutschland die Abiturienten nicht gleichmäßig aus allen Schichten kommen und man das ändern kann, indem man die Einheitsschule einführt. Debei verbessern sich dadurch nur die Quoten, aber es gibt immer noch deutliche Unterschiede. Besonders viel würde man vermutlich mit vernünfigter Frühförderung und besseren Eltern erreichen. Ist nur noch die Frage, wie man die Eltern dazu kriegt, mit ihren Kindern dort teilzunehmen. Gratis in den Kindergarten wäre ja immerhin schon mal ein Anfang.

Immer wieder wird gefordert, dass man die Hauptschule abschaffen soll, weil man ala Hauptschüler sowieso keine Chance auf einen Ausbildungsplatz hat und sich an dieser Schule sowieso nur alle Problemfälle treffen…

Ich sehe diese Entwicklung sehr problematisch. Wenn man ein außen gegliedertes Schulwesen beibehält, dann muss es auch eine Schule für Schüler mit vorwiegend praktischen Fähigkeiten geben, die auf das Berufsleben vorbereitet. Mit der Einführung der neuen IIIa/b Zweige an der Realschule im Zuge der R6 in Bayern hat man den Kunst-/Werken- Zweig fast abgschafft, den vorher SchülerInnen wählen konnten, die eher praktisch als sprachlich-mathematisch begabt sind. Solange man den IIIb Zweig mit Kunst/Werken nur noch anbieten kann, wenn man auch den IIIa Zweig mit Französisch anbietet, wird es diesen Zweig nur an großen Schulen geben können. An kleinen Schulen müsste man sonst zu kleine Klassen bilden und das darf man nicht (Für alle, die es nicht wissen: Es gibt eine Formel, nach der die Schule Lehrerstunden zum Verteilen zugeteilt bekommt. Dabei kommt etwa heraus, dass man eine Stunde Unterricht je Schüler bekommt. Für 30 Stunden Unterricht pro Woche in einer Klasse braucht man also etwa 30 Schüler, die diesen besuchen).
Wenn man also die Hauptschule abschafft, dann muss man Alternativen anbieten können. Die Hoffnung, dass sich die Probleme der Lernverweigerer, Schulschwänzer und sonstiger Problemfälle einfach lösen, wenn man die Hauptschule abschafft, an der diese meist landen, kann nur ein Politiker haben, der auch vorwiegend praktische Fähigkeiten besitzt *g*
Links zu diesem Thema:
Auslaufmodell Hauptschule – schlechte Berufschancen für Hauptschüler
Siegfreid Schneider weist die Forderung nach Abschaffung zurück

Im Artikel „besser nicht sitzen bleiben“ auf bildungsklick.de kann ich mich schon wieder maßlos über das dumme Geschwätz uninformierter Elternvertreter aufregen:

Am Freitag gibt es das Jahreszeugnis, und in viel zu vielen steht „nicht versetzt“. Weil entgegen landläufiger Meinung das Sitzenbleiben so gut wie nie etwas nützt, rät der Bayerische Elternverband allen Schülern und ihren Eltern, alle Hebel in Bewegung zu setzen, um das Sitzenbleiben doch noch zu verhindern. „Was nützt es dem Schüler, zehn Fächer, in denen seine Leistung ordentlich war, noch einmal ein ganzes Jahr lang durchzukauen, nur weil er in Geschichte und Englisch Lücken hat?“, sagt Isabell Zacharias, die Landesvorsitzende des Bayerischen Elternverbands

Ja und genau deswegen gibt es das Vorrücken auf Probe in der Schulordnung. Wenn man erwarten kann, dass der Schüler es im nächsten Jahr schafft, seine Lücken zu schließen, dann kann er vorrücken und bis Dezember zeigen, dass er genug Kenntnisse hat, um weiter in dieser Klasse zu bleiben. Gerade das oben zitierte Beispiel ist so ein typischer Fall, wegen dem seit der Einführung dieses Paragraphen keiner mehr durchfällt. Im nächsten Jahr muss man halt in den Lernfächern dann mal was lernen, seine Lücken schließen und schon ist alles gut.

Eltern, die mit dem Zeugnis unzufrieden sind, können sich noch bis zum Ende der ersten Ferienwoche an Lehrer, Beratungslehrer und Schulleiter ihrer Schule wenden oder an die Schulberatung ihres Regierungsbezirks.

Noch besser wäre es, wenn sich Eltern weit vor dem Zeugnis an Lehrer ihrer Kinder wenden würden, um darüber zu sprechen, wie man Noten verbessern kann. Ich meine damit nicht die typische Frage, ob man da mit einem Referat noch was machen kann, sondern eine ehrliche Fehleranalyse. Oft liegts beispielsweise ja daran, dass man eben ohne Vokabeln in der Fremdsprache nicht weit kommt. Da muss man dann gemeinsam nach Möglichkeiten suchen, den Schüler im Vokabellernen zu fördern.
Gerade an unserer Schule verstehe ich das wirklich nicht, wo man in den regelmäßig zu unterschreibenden Notenblättern ja alle Einzelnoten sehen kann, dass man dann erst im Juli ankommt. Bei anderen Schulen ohne Notenblätter weiß man es ja meist spätestens mit den Maiwarnungen, wenn man schon nicht mit seinem Kind über die Schule spricht. Leider ist der Trend zu reiner Notenhuberei im Abschlusszeugnis immer noch ungebrochen. Egal, ob das Kind was kann, hauptsache die Noten passen. Glücklicherweise sind die guten Eltern, die wollen dass ihre Kinder auch was lernen und sich mit den Kindern auch über Schule unterhalten, immer noch in der Mehrzahl.

Das war zumindest der erste Satz, der mir eingefallen ist, als ich via teachersnews auf den Artikel Landeselternbeirat fordert besser Ausbildung der Lehrer in den Stuttgarter Nachrichten gekommen bin.

Die Lehrer dürften Hausaufgaben, Erziehungsprobleme und andere unbequemen Angelegenheiten nicht länger auf die Eltern abwälzen, forderte Staab.  

Leider muss ich hier der Frau Staab widersprechen. Derzeit ist es so, dass eher die Eltern die unangenehmen Dinge auf die Schule und damit auf die Lehrer abwälzen. Wir haben in jeder Klasse mehrere Kinder sitzen

  • die wenig soziale Kompetenz mitbringen, weil sie den Umgang mit anderen nicht vor der Schulzeit gelernt haben
  • die kein Gefühl dafür haben, dass sie einmal nicht im Mittelpunkt stehen können, weil daheim alles nach ihrem Kopf läuft und sie Prinz/Prinzessin sind
  • die erst bei uns lernen, dass es Regeln für ein einfacheres Miteinander gibt, für deren Überschreitung man mit Konsequenzen rechnen muss, weil die eigene Freiheit da endet, wo man die Freiheit eines anderen einschränkt
  • für die immer andere schuld sind, weil sie nicht wissen, dass man für eigene Verfehlungen selbst den Kopf hinhalten muss
  • die nie gelernt haben, dass man sich Belohnung verdienen und Erfolg erarbeiten muss
  • Gerade bei den von Frau Staab angeführten gebildeten und finanzkräftigen Eltern gibt es da durchaus einige, die ihr „unerzogenes“ Kind bei uns an der Schule abgeben und erwarten, dass mit dem Abschluss ein selbstständig denkender, sozial Kompetenter Jugendlicher wieder abgeholt werden kann.

    Kritik übte sie auch an den Vergleichsarbeiten. Diese erhöhten den Druck auf Kinder und Lehrer, würden aber ihrer eigentlichen Aufgabe nicht gerecht. „Am liebsten würde ich sie abschaffen“, sagte Staab.  

    Ich weiß leider nicht genau, wie das im Nachbarbundesland läuft, aber ich persönlich finde gerade zentral gestellte Aufgaben interessant, weil ein schlechter Lehrer dann eben nicht mit einfachen Prüfungen seine schlechten Unterrichtsleistungen verstecken kann. Der Druck auf die Kinder dürfte damit auch kaum größer sein als mit einer Prüfung durch einen guten Lehrer, der es ja auch net nötig hat, genau die Aufgaben der selbst gestellten Prüfung vorher so oft zu üben bis es garantiert die meisten schaffen.Glücklicherweise gibt es aus meiner Sicht mehr gute als schlechte Lehrer und mehr gute als schlechte Eltern. Die meisten KollegInnen machen ihre Arbeit mit Sorgfalt und die meisten Eltern nehmen ihren Erziehungsauftrag auch ernst. Leider fallen die schlechten Beispiele immer mehr auf. Von den vielen guten und erfolgreichen Lehrer-Eltern-Gesprächen kenne ich nach einiger Zeit nur noch grob den Inhalt, aber die Sätze „Mein Kind ist es nicht gewohnt, sich an Regeln halten zu müssen“ einer Siebtklässlermutter oder „Ich kann tagsüber nicht zum Gespräch in die Schule kommen, ich habe ein Geschäft“ einer Mutter, deren Kind wegen immer massiver werdenden Schulproblemen kurz vor dem Ende der Schulkarriere stand, werden für immer in mein Gehirn eingebrannt sein.

Heute lese ich in der Süddeutschen einen diesen Artikel über eine schwedische Doku-Soap, die dort wohl derzeit immer noch für hitzige Debatten sorgt:

Die Doku-Soap des öffentlich-rechtlichen Kanals SVT löste landesweite Debatten über die Bildungspolitik aus, ein Thema, das derzeit in Schweden ohnehin sehr aktuell ist. Die Idee war so simpel wie umstritten: Für ein Halbjahr sollten acht preisgekrönte Pädagogen aus ganz Schweden die alten Lehrer der 9A ablösen und die Klasse zu einer der besten des Landes trimmen.

Damit wurde dann mal wieder gezeigt, was man schon lange in anderen Studien gezeigt hat: Die Quailtät des Unterrichts und auch ein wesentlicher Teil des Lernerfolges hängen von der Qualität des Lehrers ab. Diesmal haben es aber viele Leute im TV gesehen. Die wichtigste Frage, die aber noch nicht geklärt ist, woher man auf einmal die vielen Top-Lehrer nehmen will, um alle Schüler so zu fördern. Außerdem ist bestimmt auch ein Teil des Erfolgs auf die „neue Besen kehren gut Effekte“ und die TV-Präsenz zurückzuführen. Welcher Schüler will sich schon landesweit als nicht-förderfähiger Trottel im TV zeigen?
Auch wenn ich kein Freund dieser Doku-Soaps bin, hat man hier immerhin Mut bewiesen und das wahre Schulleben gezeigt. Noch mehr Mut haben allerdings die „durchschnittlichen“ Lehrer bewiesen, die bei dem Experiment wohl im Vergleich schlecht dastehen.
Wenn diese Serie aber jetzt auch für die Bildung aller schwedischen Kinder was bringen soll, dann muss man nun überlegen, wie man in Zukunft ohne Serie solche Erfolge erreichen kann. Sonst war es mal wieder billige Unterhaltung.

Schön zu den Reaktionen des Bildungsberichts finde ich diesen Kommentar in Die Zeit:

Richtig ist, dass Deutschland ein Bildungsproblem hat: zu viele Schulabbrecher, zu wenig Chancen für Einwandererkinder, zu wenig Studenten. Daran haben dieser Tage Wissenschaftler in einem „Nationalen Bildungsbericht“ erinnert. Richtig ist aber leider auch, dass erschreckend einfältig darüber diskutiert wird.  

Viele Zeitungen haben in den vergangenen Tagen daraus fälschlicherweise ein „ungelöstes Hauptschulproblem“ gemacht. Und die Lehrergewerkschaft GEW fordert ebenso wie die Grünen einmal mehr die Abschaffung der Hauptschule. Nun muss man aber wissen, dass es ein Unterschied ist, ob jemand die Hauptschule besucht oder ob er einen Hauptschulabschluss macht. In Nordrhein-Westfalen etwa wird fast jeder zweite Hauptschulabschluss an einer Gesamtschule abgelegt

So wie ich sehr häufig empfinde: Die GEW vertritt meine Meinung als Lehrer überhaupt nicht und dreht sich die Aussagen von Studien -notfalls mit Zitaten ohne Zusammenhang- so hin, dass die Fakten zu der vertretenen Meinung passen.Nett finde ich auch in dem Zusammenhang, dass sich so viele Bundespolitiker zu Wort melden, ohne zu erwähnen, dass sie leider in der Bildungspolitik dank Länderhoheit nicht viel mitzubestimmen haben.  Vielleicht sollten auch die (Möchtegern)Schulreformer den Artikel über den Zusammenhang Herkunft – Bildungsweg aus Die Zeit vom Januar nehmen:

Selten hat mich das Ergebnis meiner Forschungen so überrascht und enttäuscht wie diesmal: Die Gesamtschule schafft unterm Strich nicht mehr Bildungsgerechtigkeit als die Schulen des gegliederten Schulsystems – entgegen ihrem Anspruch und entgegen den Hoffnungen vieler Schulreformer, denen ich mich verbunden fühle. Die soziale Herkunft, so die bittere Erkenntnis der neuen Studie, entscheidet hierzulande noch langfristiger über den Bildungserfolg der Kinder als bislang angenommen