Nach den tödlichen Schlägen am Bahnhof Solln für einen Mann, der mit seinem Leben bezahlt hat, dass er vier Kinder in der S-Bahn vor drei Jugendlichen geschützt hat, haben wir wieder mal dieselben Reaktionen in der Presse gelesen: Mehr Überwachungskameras, höhere Strafen für jugendliche Täter… als ob jemand im Moment der Tat wirklich an die Folgen denkt…
Verhindert werden hätte die Tat wohl nur dann werden können, wenn die Passanten in Zug und Bahnsteig alle zusammengeholfen hätten, oder wenn die telefonisch verständigte Polizei vorher und nicht nachher da gewesen wäre, oder wenn es irgendjemandem gelungen wäre, den Tätern in 17 bzw. 18 Jahren ihres Lebens ein soziales Verhalten beizubringen.

Heute wieder einmal ein Amoklauf an eine Schule. Ich warte auf die Forderungen nach mehr Überwachung, mehr Aufmerksamkeit, besseren Notfallplänen, Verbot von Killerspielen…
Wie passend, dass wir morgen (bereits vorher geplant) im Rahmen einer Fortbildung über die neuen Notfallpläne für solche Fälle an meiner Schule informiert werden sollen.
Für mich als Lehrer stellt sich aber eher die Frage, wie ich potentielle Täter rechtzeitig vorher erkennen kann, denn Einzelgänger, Computerspieler usw. gibt es viele an unseren Schulen. Noch viel mehr sollte uns aber beschäftigen, wie wir in Familien und Schulen allen Kindern eine interessantere Zukunftsperspektive zeigen können als auf diese Weise traurige Berühmtheit zu werden. Dasselbe wie meinem Kollegen Hockey in seinem Blogeintrag Gymnasial ging mir auch schon durch den Kopf: Die Amokläufer besuchen fast immer Gymnasien. Da hoffe ich doch jetzt, dass keiner auf die Idee kommt, die Gymnasien abzuschaffen so wie man immer die Computerspiele verbieten will, die gespielt wurden.

Gerade findet man wieder in den Zeitungen Artikel über den Lehrermangel und die verschiedenen Lösungsansätze:

  • Abwerben von Lehrern aus anderen Bundesländern. Das löst aus meiner Sicht kein Mangelproblem. Es verschiebt den Mangel nur. Je nachdem ob man für oder gegen diesen Wettbewerb ist, findet man es richtig oder falsch, dass die Lehrer ausuchen, wo und zu welchen Bedingungen sie arbeiten.
  • Steigern der Unterrichtsverpflichtung. Aus meiner Sicht kontraproduktiv. Kurzfristig brauche ich weniger Personal, aber Verschlechterung der Arbeitsbedingungen steigert nicht gerade die Attraktivität für diesen Beruf.
  • Aushilfe stundenweise durch Fachleute aus der Wirtschaft, 1-Euro-Jobber usw. Aus meiner Sicht sinnlos. Man kann mit externen Experten die Motivation oder das Interesse durch den Praxisbezug zeitweise erhöhen und mit ungelernten Aushilfen vielleicht noch die Aufsicht sicherstellen, aber sonst passiert da doch eher kaum nachhaltige Bildung. So einfach ist es eben doch nicht, Kindern langfristig etwas beizubringen.
  • Öffnen der Lehrertätigkeit für Quereinsteiger. Aus meiner Sicht die beste Alternative, aber schlecht durchgeführt. Wenn ich aus einem guten Fachmann einen guten Lernbegleiter machen will, muss ich ihn am Anfang richtig unterstützen. Begleitende Fortbildung und verringerte Unterrichtsverpflichtung am Anfang. Man kann die Begleitung auch durch gute Kollegen machen lassen, aber die müssen dann auch angemessen Zeit dafür bekommen. In jeder anständigen Firma wird man schließlich auch eingearbeitet, wenn man später weitestgehend selbstständig arbeiten soll. Zudem muss es eine Zukunftsperspektive geben, nach einiger Zeit wie ein normaler Lehrer behandelt und bezahlt zu werden. Leider gilt derzeit Berufserfahrung im Lehrerberuf hier nicht. Wer kein Staatsexamen nachmacht, bleibt immer „Hilfslehrer“. So frustriert man auf Dauer die guten, engagierten Quereinsteiger.

Egal wie: Man braucht mehr geeignete Lehrer. Die Eignung muss man wohl während der Arbeit ermitteln. Das gilt selbst für Lehrer mit zweitm Staatsexamen. Befristete Verträge für die erste Zeit sind in anderen Bereichen üblich, warum nicht auch hier.
Wenn man keine geeigneten Kräfte findet, sollte man überlegen, den Unterricht zu kürzen. Manchmal ist gekürzter Unterricht aus meiner Sicht weniger schlimm als schlechter Unterricht. Dabei wird wenigstens kein Schüler verprellt, Fehlvorstellungen vermittelt oder die Arbeitsmoral versaut.

Via Teachersnews bin ich gerade vorher auf einen interessanten Ansatz für Computernutzung in der Schule gestoßen:
Die Fachhhochschule Nordwestschweiz bietet über die Webseiten der Beratungsstelle für digitale Medien und Unterricht einen sogenannten Lernstick an.
Ein Lernstick ist ein USB-Stick, der mit einem Betriebssystem und Software bespielt ist. Damit ist ein Start vom Stick auf einem handelsüblichen Computer möglich bei dem keine Software und kein Betriebsstystem installiert sein muss, der eigentlich nicht mal eine Festplatte braucht.
Wo sehe ich die Vorteile?

  • Für die Schule reicht ein günstiger PC mit Netzanschluss
  • Die Schulcomputer benötigen keine Software und damit keine Administration
  • Alle enthaltenen Programme sind Freeware, die man dann nicht für jeden Schüler kaufen muss
  • Die Schüler können auf ihrem Stick die Oberflächen und Voreinstellungen der Programme individuell einrichten
  • Die Nutzer verwenden immer die gleiche Programmversion
  • Die Daten sind immer dabei, wenn man arbeitet, weil sie auch auf dem Stick gespeichert sind

Ich muss mir das mal genauer ansehen und so ein Teil einrichten. Das Image und eine Anleitung gibts ja direkt zum Download. Jetzt muss ich mir nur einen größeren Memorystick besorgen.

Heute standen in einer Presseerklärung des BLLV-Vorsitzenden Wenzel die beiden folgenden Aussagen:

„Die Grundschule ist die beste Schule, die wir haben. Ich verstehe nicht, warum wir damit nach nur vier Jahren aufhören und Kinder in ein Korsett zwingen, das den meisten von ihnen nicht passt.“  

„Es ist geradezu paradox, dass Schülerinnen und Schüler die Grundschule nur vier Jahre lang besuchen, um dann auf eine weiterführende Schule zu wechseln, wo sich die Situation schlagartig ändert und Leistungen deutlich unter internationale Vergleichsmaßstäbe fallen“

Vielleicht sind wir ja nur deshalb anders platziert, weil mehrere Länder, die bei PISA vor oder hinter uns lagen nicht bei IGLU mitgemacht haben…Vielleicht ist es aber auch nur so, dass die Unterschiede sich im Laufe der Jahre verstärken. Untersuchungen haben schließlich gezeigt, dass gute Schüler von gutem Unterricht mehr profitieren als schlechte. Auch schlechte Schüler werden dabei besser als bei schlechtem Unterricht, aber die Schere geht trotzdem immer weiter auf. Der Unterschied zwischen den Kindern muss also steigen, wenn man später prüft – außer es wären alle Schüler und alle Schulen weltweit gleich gut oder gleich schlecht. Lernen baut schließlich immer auf vorher Gelerntem auf. Entsprechend vergrößern sich die Unterschiede immer mehr. Das gilt bereits für die großen Unterschiede bei der Einschulung hinsichtlich Vorkenntnissen, Fähigkeiten und Lernmotivation. Vor allem bei der Lernmotivation scheint die Pubertät die Schere noch einmal weit zu öffnen. Diese Phase kriegen die Grundschulen kaum mit.
Leider zeigt meine persönliche Erfahrung auch, dass manche Schüler mit Empfehlung/Übertrittszeugnis an weiterführende Schulen wechseln, die nicht über entsprechende Grundkenntnisse in Mathematik oder Deutsch verfügen, um dort bestehen zu können. Sollen wir sie solchen Grundschulen dann 6 Jahre ausliefern?
Meine persönliche Überzeugung ist immer noch, dass es nicht an eingliedrig oder mehrgliedrig liegt, sondern nur an der Umsetzung von Schule innerhalb des jeweiligen Systems und an der Unterstützung der Bildung durch Eltern und Gesellschaft.  Wie erklärt man sonst, dass Bayern und Finnland ähnliche Test-Ergebnisse liefern, obwohl das Schulsystem kaum verschiedener sein könnte. Vielleicht arbeiten wir erst mal an besseren Lernbedingungen in den vorhandenen Schulen, ehe wir nach jeder Studie wieder die Strukturdebatte führen.

Heute lese ich in der Süddeutschen einen diesen Artikel über eine schwedische Doku-Soap, die dort wohl derzeit immer noch für hitzige Debatten sorgt:

Die Doku-Soap des öffentlich-rechtlichen Kanals SVT löste landesweite Debatten über die Bildungspolitik aus, ein Thema, das derzeit in Schweden ohnehin sehr aktuell ist. Die Idee war so simpel wie umstritten: Für ein Halbjahr sollten acht preisgekrönte Pädagogen aus ganz Schweden die alten Lehrer der 9A ablösen und die Klasse zu einer der besten des Landes trimmen.

Damit wurde dann mal wieder gezeigt, was man schon lange in anderen Studien gezeigt hat: Die Quailtät des Unterrichts und auch ein wesentlicher Teil des Lernerfolges hängen von der Qualität des Lehrers ab. Diesmal haben es aber viele Leute im TV gesehen. Die wichtigste Frage, die aber noch nicht geklärt ist, woher man auf einmal die vielen Top-Lehrer nehmen will, um alle Schüler so zu fördern. Außerdem ist bestimmt auch ein Teil des Erfolgs auf die „neue Besen kehren gut Effekte“ und die TV-Präsenz zurückzuführen. Welcher Schüler will sich schon landesweit als nicht-förderfähiger Trottel im TV zeigen?
Auch wenn ich kein Freund dieser Doku-Soaps bin, hat man hier immerhin Mut bewiesen und das wahre Schulleben gezeigt. Noch mehr Mut haben allerdings die „durchschnittlichen“ Lehrer bewiesen, die bei dem Experiment wohl im Vergleich schlecht dastehen.
Wenn diese Serie aber jetzt auch für die Bildung aller schwedischen Kinder was bringen soll, dann muss man nun überlegen, wie man in Zukunft ohne Serie solche Erfolge erreichen kann. Sonst war es mal wieder billige Unterhaltung.

Nach dem Vorschlag der GEW hat nun auch der bayerische Kultusminister Schneider an die Lehrer appelliert, dass man keine Prüfungen nach Deutschlandspielen ansetzen soll. Schließlich müssen die armen Kinder ja sonst unausgeschlafen eine Prüfung schreiben. Sind ja bald Wahlen, da kann ein bisschen positive Darstellung gegenüber Eltern net schaden. 
Blöd für die Hauptschullehrer, dass sie wegen der Gerechtigkeit dann wohl besser auch keine Prüfungen nach Spielen mit griechischer, italienischer, türkischer… Beteiligung ansetzen sollten. Dumm auch für die Realschüler, die während der EM Abschlussprüfungen schreiben müssen. Dumm auch, dass sich die Prüfungen dann an den anderen Tagen zusammenballen…, aber hauptsache mal wieder eine schülernahe Schlagzeile. 
Apropos: Während der Eishockey-WM, der Handball WM, Fußball WM, Sommerolympiade, Winterolympiade… sollte man auch so eine Empfehlung aussprechen. Vielleicht  gibt man bis zur 7. Klasse auch gleich bis zur großen Pause frei zum Ausschlafen…
Ich halte es für ein weiteres falsches Signal in die Richtung, dass die Schule Rücksicht auf die Freizeitgestaltung nehmen soll, weil der Event einfach wichtiger ist als Unterricht.

Heute habe ich in  Die Zeit ein Interview mit dem Kinder- und Jugendpsychologen Wolfgang Bergmann gelesen. Im Artikel „Die verlorene soziale Stimme“ beschreibt er dort im Interview auch eine Situation, die wir als Lehrer leider auch aus dem Schulalltag kennen:

„Eigentlich bildet sich die Identität so: Ich interessiere mich für den anderen, weil er mich widerspiegelt. „Ich bin, weil du bist“ – das ist ein, wie ich finde, kluges Sprichwort. Umgekehrt hat das auch funktioniert: Wenn ich einem anderen Schmerz zufüge, fühle ich selbst welchen. Das ist heute nicht mehr so. Statt dessen geht es um die Selbstidolisierung. Rücksicht auf andere Menschen hat dabei keinen Platz mehr. Viele Kinder und Jugendliche sehen den Schmerz oder das Leid anderer nicht. Man nimmt den anderen nur noch verschwommen wahr.“

Eine bessere Beschreibung des Zustandes mancher Kinder habe ich noch nicht erlebt, die keinerlei Schuldbewusstsein zeigen, wenn sie jemanden etwas angetan haben. Im kleinen Rahmen ist es eine Verletzung, die man in der Schule in Kauf nimmt, im Großen eben ein Todesfall, weil man Holzklötze von Autobahnbrücken wirft oder Leute ersticht, die sich über das Verhalten in der S-Bahn beschwert haben.

Bei Spiegel-online hab ich gerade einen Artikel gefunden, der zwei typische Lehrerprobleme zeigt:
Eine Lehrerin in Florida hat wohl einem Schüler, der währende der Stunde auf die Toilette wollte den Rat „halt’s an oder nimm meine Brotdose“ gegeben und er hat dann die Brotdose gewählt…
Erstes typisches Lehrerproblem: Es gibt immer wieder Schüler, die während des Unterrichts ganz ganz dringend austreten müssen…
Zweites typisches Lehrerproblem: Man darf auch im Scherz keine Anweisungen geben, die beim Erfüllen gefährlich oder peinlich sein könnte. Wenn Schüler auch sonst oft Anweisungen missachten. Hier übersehen/ignorieren manche dann den Scherz und führen die Anweisung sofort aus.

Über TeachersNews habe ich gerade einen Artikel von der GEW gelesen. In dem Artikel wird gefordert, dass (wieder) mehr Verwaltungspersonal die Verwaltungsaufgaben erledigt, um den Schulleitern mehr Zeit für die Leitungsaufgaben und Schulentwicklung zu geben. Als Beispiel wird die Eingabe von Statistikdaten angegeben.
Ich würde noch einen Schritt weiter gehen. Auch die Lehrer machen aus meiner Sicht zu viel Arbeit, die auch eine Sekretärin erledigen könnte. Entschuldigungen bei Fehltagen zu verwalten usw… Hier wird eine vergleichsweise teure Arbeitskraft von ihrer eigentlichen (pädagogischen) Arbeit abgehalten.